MALEN, basteln, kneten… Waldkindergärten funktionieren anders

Pokémon sind bei uns ganz hoch im Kurs! Karten werden gesammelt und Bilder dazu gemalt. Aktuell lassen sich die Kinder gerne ein Ausmalbild ihre Lieblingsfiguren ausdrucken. Dabei war mir aufgefallen, dass unser Kleinster unfassbar gut (wie ich finde) ausmalt. Er malt kaum über die Linien und auch sonst sieht es wahnsinnig ordentlich aus. Auch der Anfang, wie er ausgeschnitten hat, hat mich überzeugt!

Ich sage das jetzt, weil wir keine Bastelfamilie sind. Wir sind eigentlich gerne draußen und wenn wir drinnen bleiben, spielen wir etwas. Gemalt und gebastelt wird da aber eher weniger. Ich hatte also gar nicht im Blick, wie gut er malen und mit der Schere schneiden kann. Im Kindergarten, das weiß ich, wird auch nicht viel gemalt und gebastelt, zumindest nicht mit Papier und Schere.

Malen und basteln im Waldkindergarten?

Unser Sohn geht in eine Art Waldkindergarten, in unserem Fall nennt es sich Gesundheitskindergarten. Die Kinder sind den ganzen Tag draußen. Vom Treffpunkt morgens aus starten die Kinder direkt in den Wald. Dort wird gespielt, gefrühstückt, gesungen, geklettert, geschnitzt, gebaut und alles das getan, was man im Wald mit den Naturmaterialien die man findet so anstellen kann.

Um die Mittagszeit geht es zwar zurück zum Kindergarten, aber auch dort sind die Kinder nur draußen. Es wird draußen zu Mittag gegessen und danach der Garten in Anspruch genommen. Der Kindergarten hat eigene Hühner und einen Gemüsegarten. Die Kinder helfen mit bei der Gartenarbeit und versorgen die Tiere. Gemalt werden kann dort natürlich auch. Es gibt immer einen Tisch mit Papier und Wachsmalblöcken und sogar ein Malatelier nach Arno Stern, in dem die Kinder kreativ großflächig mit Pinseln und Farbe arbeiten können.

Und was ist mit der Feinmotorik?

Genau! Was hat das jetzt alles mit dem Ausmalbild zu tun werdet ihr euch fragen? Ich finde eine ganze Menge und dazu hole ich noch mal etwas aus. Ich höre immer wieder die Sorgen und Bedenken von Eltern, die ihre Kinder aus diesen Gründen niemals in unseren Kindergarten schicken würden. Das wäre zum einen die Sorge, dass die Kinder krank werden, weil sie bei jedem Wetter draußen sind. Die Eltern haben Angst, dass sie nass werden, frieren oder von Mücken zerstochen werden. Dass sie sich verletzen, stürzen und schmutzig machen. Und im Wald gibt es keine Toiletten und kein warmes Wasser zum händewaschen.

Auch gibt es die Angst, dass die Kinder dort nicht genug lernen und nicht auf die Schule vorbereitet werden. Weil sie eben nicht in Räumen an Tischen sitzen und fleißig jahreszeitliche Lieblichkeiten basteln, sondern wie die „Wilden“ durch den Wald rennen und auf Bäume klettern…! (An dieser Stelle muss ich sagen, dass meine einzige Angst vor der Schule die ist, dass die Kinder einen „Kulturschock“ erleben, wenn sie auf einmal vormittags 4 Stunden in geschlossenen Räumen sitzen und „arbeiten“ müssen…! Oh, wie sehr wünsche ich mir eine „Waldschule“ ;o)

Feinmotorik??

Zurück zur Frage, weshalb ich einen kurzen Moment so überrascht war, warum unser Jüngster so toll ausmalen kann! Ich habe mich nämlich selbst bei dem Gedanken ertappt, dass ich ihm das gar nicht zugetraut hätte, weil ich ja diese ganzen Bedenken und Vorurteile kenne und sie schon ein Stück weit angenommen habe. Zwar mit dem Gewissen, dass ich dem keine große Bedeutung beimesse, aber schon in der sicheren Annahme.

Dann habe ich mal kurz darüber nachgedacht, was da eigentlich passiert beim Malen. Es wird ein Stift in die Hand genommen, es wird geschaut und es wird präzise gearbeitet. Was machen denn die Kinder draußen im Wald? Natürlich könnte man davon ausgehen, dass sie wild und kopflos durch die Gegend rennen. Aber nein, ganz anderes passiert doch da!

Pinzettengriff und Achtsamkeit

Die Kinder entdecken Insekten und anderes, was sie vorsichtig mit dem Pinzettengriff aufheben und betrachten. Beim Klettern wird der ganze Körper gefordert, die Motorik und die Hand-Auge-Koordination. Am Ende sind diese Kinder sehr trainiert und fein ausgebildet würde ich meinen. Natürlich ist es dann ein leichtes, einen Stift in die Hand zu nehmen und ein Bild auszumalen! Übergeordnete Fähigkeiten werden ausgebildet und trainiert.

Ich war von dieser Erkenntnis einen kurzen Moment überrascht und dann habe ich mich riesig gefreut! Ja, ich habe mich gefreut, denn das Malen und Basteln wird ganz nebenbei mitentwickelt, da die Feinmotorik auf ganz anderen Wegen geschult wird. Diese Erfahrungen sind viel reichhaltiger und natürlicher – finde ich, und niemand schaut, wie schön gemalt und ausgeschnitten wird und ob jede*r schon das aktuelle Fensterbild gebastelt hat. Für mich ist diese Art von „Kindergarten“ perfekt! Die Kinder können sich bewegen, sind an der Luft und haben viele Anreize. Ganz nebenbei bemerkt ist unser Jüngster auch der fitteste – ausdauernd, kräftig UND gefühlt nie krank!!!

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