Hier seit Langem mal wieder ein Beitrag zum Thema „Da frag‘ ich nach“. Manchmal könnten die Dinge so einfach sein, aber die Simplifizierung unserer Lebens- und Wirtschaftskultur haben diesen Anspruch auf die Spitze getrieben mit dem Ergebnis: Kaputtes am Besten einfach wegwerfen und neu kaufen. Und dann ist es einfach nicht mehr gut – nein, es ist richtiggehend schlecht! So kann und darf unser System nicht funktionieren, auf so viele Ressourcen können wir nicht unendlich zurückgreifen und so verschwenderisch dürfen wir uns nicht länger verhalten. Die Theorie der geplanten Obsoleszenz will ich hier gar nicht mit in den Raum werfen. Und ja, ich schweife ab, also zurück zum Kern der Sache…
Neulich brauchte unsere Tochter einen neuen Fahrradhelm und nachdem wir uns optisch und funktional einig waren wurde es ein Helm der Marke Alpina mit eingebauter Rückleuchte. Was dann passierte kannst du nachfolgend lesen – dieser Text ist die Email, die ich an den Hersteller geschrieben habe. An dieser Stelle sei gesagt, dass das Bauteil des Helmes durch mein Verschulden kaputt ging aber vielmehr zeigt es auch, wie unflexibel und uneingestellt manche Unternehmen momentan noch sind, Produkte nachhaltig und reparabel zu gestalten und Ersatzteile nicht nur komplett, sondern wirklich im ErsatzTEIL zur Verfügung zu stellen. Hier also die Email, ich bin gespannt auf die Antwort ;o)
Lieber Leser,
Wir haben für unsere Tochter den Alpina Ximo Flash Kinder Fahrradhelm gekauft. Da sich das Rücklicht durch draufdrücken zuerst nicht einschalten ließ (an dieser Stelle sei gesagt, dass unser Großer auch einen Helm anderer Marke mit Rücklicht hat welches sich ganz leicht durch drücken auf das Licht einschalten lässt) dachten wir, die Batterie wäre vielleicht leer und wollten das Rücklicht ausbauen (in der Anleitung haben wir weder zum einschalten noch zum Ausbau Hinweise gefunden – checken Sie das bitte auch noch mal). Nun habe ich das Licht zuerst etwas herausgezogen und gesehen, dass ein Gummiband am Rückendeckel des Lichts eingehängt ist. Jetzt dachte ich, ich müsste das Gummiband am Licht aushängen, da die Lasche, in der das Gummiband eingehängt war, sich an einer Seite durch einen verzahnenden Verschluss hätte öffnen lassen können. Es kam, wie es kommen musste, die Lasche brach ab! Große Trauer und Entsetzen bei unserer Tochter. By the way, das Licht funktionierte doch – als wir es dann in der Hand hielten und bei Daumendruck auf das Licht von hinten gegenhalten konnten ging es an. Ich muss sagen, das ist schon echt schwer einzuschalten, vor allen für eine sechsjährige. Selbst wir hatten ja im eingebauten Zustand nicht so fest gedrückt.
Jetzt kommt der spannende Teil: Da der Helm quasi funkelniegelnagelneu war und der einzige Defekt die abgebrochene Lasche am Rückendeckel, rief ich Ihren Kundenservice an, schilderte das Problem und fragte um ein Ersatzteil – wohlgmerkt nur den Rückendeckel, nicht das ganze Licht, das war ja nicht kaputt. Ihre nette Dame im Service war ehrlich überrascht. Das diese Lasche abbricht, hätte Sie noch NIE gehört! Sie empfahl mir daher, ein Ersatzteil zu kaufen, und zwar das ganze Licht, kostet (laut Ihrer Aussage) ja nur neun Euro! Ich erklärte Ihr noch einmal, dass das Licht ja nicht kaputt sei und nur der Rückendeckel ersetzt werden müsse. Sie hätten doch sicher in der Produktion Ausschüsse jeglicher Art, da ist doch auch so ein Rückendeckel zwischendurch dabei, den könnte man doch einzeln als Ersatzteil rausgeben. Ich vermute ja, dass ich doch nicht die einzige auf dieser Welt bin, der mal diese Halterung hinten abgebrochen ist…!
Apropos Welt, das habe ich Ihre nette Dame auch gefragt, wie ein Unternehmen in der heutigen Zeit so agieren kann und von mir verlangt, dass ich ein völlig funktionstüchtiges elektronisches Bauteil in den Müll werfe und ein Neues kaufe, wenn der eigentliche Defekt ein ganz anderer und leicht zu behebender ist?
Es wäre sicher kein Problem für Ihr Unternehmen, Ersatzteile wie einzelne Schließen für den Helm, Einen Rückendeckel, Gurte etc. zur Verfügung zu stellen um den vermeintlichen Müll zu reduzieren auf das, was wirklich ersetzt werden muss. Im Gegenteil bin ich davon überzeugt, dass man diese nachhaltige, umweltfreundliche und den eigenen Produkten WERTschätzende Haltung gegenüber ihrer Langelebigkeit gut kommunizieren und sich damit positiv herausstellen kann! Wie stehen Sie dazu?
Wir leben doch in einer Zeit, wo sich vor allem die großen Unternehmen bewegen und verändern müssen hin zu einem nachhaltigeren, ressourenschonenden Wirtschaften. Sicher tun Sie schon viel in diesem Bereich, das möchte ich gar nicht unterstellen. Vielleicht habe ich Ihnen mit meinem Schreiben ja neue Ideen geliefert, für und in der Zukunft noch mehr zu tun und weiter zu gehen. Ich würde wirklich gerne von Ihnen wissen, ob Sie an Belangen wie meinen interessiert sind und ob Sie dazu bereit sind, an diesen Umständen etwas zu verändern.
Übrigens, um die Geschichte des Helmes abzuschließen – natürlich habe das Rücklicht nicht weggeworfen sondern repariert! Erst mal habe ich erfolglos versucht, den Bügel wieder anzukleben. An dieser Stelle auch noch ein Hinweis an Ihre Produkt-Entwicklung: Ich persönlich finde diese ganze Konstruktion der Halterung im Helm mit einem Gummibändchen an einem Plastikbügelchen tatsächlich nicht sehr stabil! Deswegen habe ich ein elastisches Nylon genommen, den Rückendeckel abgeschraubt und das Nylonband direkt zwischen die beiden Bauteile des Lichts geführt. Diese Lösung halte ich für wesentlich stabiler, einfach und wesentlich unanfälliger da erst mal nichts abbrechen kann.
Menschliche und herzenswarme Grüße,
Ortrun Bonn
Am 23.12.2020 erreichte mich dann erfreulicherweise diese Nachricht:
Sehr geehrter Herr Bonn, ich weiß ja nicht mit wem Sie gesprochen haben, aber ich werde Ihnen das hintere Teil zukommen lassen. Ich werde es an diese Adresse: Ortrun Bonn - Diplom-Produktdesignerin (HS) Produktdesign | Webdesign | Grafikdesign Willi Brehm Str. 6 D-63500 Seligenstadt Mit freundlichen Grüßen
Das werte ich mal als vollen Erfolg! Ich habe mich darüber sehr gefreut. Im übrigen ist es für uns mittlerweile ein gängiges Verfahren, im Falle von Defekten über den customer Service nach Ersatzteilen zu fragen. Das klappt in der Regel sehr gut und wir haben so das Leben vieler Gebrauchsgegenstände unseres Alltags verlängert, die ansonsten einfach entsorgt und ersetzt worden wären. Unsere Erziehung – und damit meine ich die Erziehung zum Konsumenten – hat seit Jahrzenten dazu geführt, Dinge zu verbrauchen anstatt zu gebrauchen. Diese Sichtweise muss sich dringend ändern hin zu der WERTschätzung all jenem, was uns im Alltag von Nutzen und dienlich ist. Macht davon Gebrauch, es ist leichter als gedacht ;o)
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